Ist es wirklich notwendig?


Diese Frage habe ich mir soeben an der Kasse eines Supermarkts gestellt, als ich mir nach einem wunderbaren Seminar einen Snack für die bevorstehende Zugfahrt besorgt habe. Ich war noch nicht an der Reihe, mein gesundes Obst (ok, das ist nun gelogen, leider…) auf das Förderband zu legen, da erwischt mein Blick eine seltsam unruhige Kopf- und Körperhaltung des Kassiers. Nach jedem Kundenvorgang geht sein Kopf runter und nach kurzer Zeit wieder rauf, gesamt wirkte dies sehr unruhig. Ich hatte zu Beginn keine Erklärung, obwohl es ja ganz offensichtlich war – der junge Mann hat während des Kassierens ein Handy am Oberschenkel gelegt und nach jedem Kundenkontakt seine Nachrichten oder was auch immer, gelesen und auch beantwortet.

Nun muss man deswegen kein Fass aufmachen! Ich geh einkaufen, damit ich Ware kaufe und das Unternehmen will damit Geld verdienen, es ist beim Kauf kein Fehler passiert, die Snacks sind gut, alles halb so wild! Nun muss ein ABER kommen, da ich meine Haltung zur Kundenorientierung als Trainer derselben nicht ausblenden will oder kann. Wie kann ich das Verhalten des Kassiers auch interpretieren?

Wir Kunden, also die Menschen, die seinen Arbeitsplatz durch unseren Kauf sichern, sind es nicht wert volle Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu bekommen?

Wir Kunden sind unwichtiger, als wohl eher belanglose Handynachrichten? (Ich nehme nicht an, dass es sich um dramatisch wichtige Notfälle handelt, denn dann wäre der junge Mann hoffentlich von seiner Arbeit freigestellt worden)

Wir Kunden sollen einfach nur kaufen und gehen, der Weg zu den bislang noch unbeliebten Zahlautomaten wird uns dann wesentlich einfacher fallen.

Wertschätzung kann ich nur entgegenbringen, wenn ich Kontakt suche. Blickkontakt, vielleicht ein Lächeln, eine aufrichtige Begrüßung und Verabschiedung hat keinen Raum, wenn ich so schnell wie möglich auf mein Handy schauen muss. Damit wird der Kauf zu einem rein auf Geld gegen Ware reduzierten Akt, der emotionslos erfolgt. Der Anbieter wird dabei austauschbar, der Mensch als zusätzlicher Faktor unwichtig. Es wundert mich einfach nicht, wenn wir dann auf Kaufmöglichkeiten ausweichen, die über Maschinen abgewickelt werden.

Ein zweites, sehr interessantes Erlebnis bei meinem Innsbrucktrip war am Bahnhof bei der Hinfahrt. Ich wollte in einem Buchgeschäft ein ganz bestimmtes Buch kaufen, endlich mal nicht online, was gibt es Schöneres!

Mit einem ganz bestimmten Titelwunsch ging ich gleich zu der jungen Dame, die Bücher an der Kasse scannt. Doch bei mir gab es kein Scannen, aus einem ganz einfachen Grunde, die junge Frau, wollte nicht, dass ich was kaufe. Wie war der Dialog: “Grüß Gott, haben Sie das erste Buch von Gerhard Roth aus der Venedig Reihe? “Nein, haben wir nicht” “OK, auf Wiedersehen”. Siehst so unser Einkaufen aus, wenn wir offline sind? Wo ist die Frage nach anderen Wünschen, wo die Vorstellung neuer Bücher, die vielleicht passen könnten, wo der Hinweis auf andere Bücher des Autors, wo die Fragen “Was kann ich sonst noch für Sie tun” wo ist das Interesse an Kunden und das Interesse an Umsatz? Handelsunternehmen stöhnen unter der Gefahr von Amazon und Co, lassen aber Kunden einfach ziehen, die eindeutig kaufbereit sind. Ich will weder dem jungen Mann an der Kasse noch der jungen Frau im Buchladen einen Vorwurf machen, dies steht mir nicht zu und es bringt auch nichts. Der Führung der Unternehmen möchte ich einfach die Idee mitgeben, weniger über die Gefahr von außen nachzudenken und mehr die Chancen im inneren zu nützen. Die wichtigste Ressource sind die Menschen, die für das Unternehmen arbeiten. Die Menschen, die den Kunden hinsichtlich Kaufs oder “nicht Kauf” und Zufriedenheit oder Unzufriedenheit direkt beeinflussen. Dort muss auch angesetzt werden! Vielleicht fehlt den Mitarbeitern im Kundenkontakt auch einfach die Sinnerklärung – warum ist es wichtig, dass Du tust was Du tust!  Welchen Sinn verfolgt Deine Arbeit – für uns als Unternehmen und auch für den Kunden. Wenn dies verstanden wird, dann kann es zu geänderten Verhalten hin zu Wertschätzung im Kundenkontakt führen.

Es ist einfach nicht notwendig, dass Chancen vertan werden, die durch wenige Maßnahmen ergriffen werden können.

Ich genieße nun den vorher gekauften Snack, und freue mich über den freundlichen Zugbegleiter, der durch seine nette und sympathische Art meine Zugfahrt gleich ein stückweit angenehmer gestaltet hat.